Retail muss sich neu erfinden
Flächenbedarf bleibt, Nutzer ändern sich
von Gerhard Rodler aus Cannes
Man könnte an diesem ersten Tag der Mapic in Cannes fast meinen, dass bei den Retail-Entwicklern und -Investoren irgendwie die Luft ein wenig draußen ist. Zumindest sind sowohl die Ausstellungsfläche wie (zumindest am ersten Tag) auch die Zahl der Besucher durchaus etwas bescheidener als in den „Hochzeiten“ der Assetklasse Retail.
Der Schein trügt aber. Nach Meinung der meisten befragten Mapic-Teilnehmer hier hat die Branche vor allem in Europa einen kurzen Moment des Luftholens eingelegt, der dazu genutzt wird, sich selbst neu zu erfinden. Die Assetklasse Retail ist noch lange nicht tot und wird zumindest mittelfristig auch nicht weniger attraktiv werden. Sie wird aber in einigen Jahren anders sein, als wir sie derzeit kennen.
„Retailment“ ist hier in Cannes das meist genutzte Schlagwort, also die Aufwertung der Handelsflächen durch Entertainment und Gastronomie. Das ist heute schon Realität. Während es für Retailflächen kaum noch innovativen Entertainmentangebote gibt, boomt die Systemgastronomie. Jede dritte hier in Cannes gezeigte (neue) Retailmarke auf Expansion hat nicht den Einzelhandel, sondern ein (meist innovatives) Gastronomiekonzept.
Wie Gespräche mit Vermietern hier in Cannes zeigten, ist die Systemgastronomie zwischenzeitig ein sehr willkommener Mieter mit vergleichsweise sehr geringen Mietausfällen. Weniger wirtschaftlich interessant ist die nicht als Kette organisierte Gastronomie, diese wird von den Vermietern diesfalls eher unter Marketinggesichtspunkten gesehen. Der Chef des österreichischen Handelsverbandes und jahrzehntelange Retail-Profi Stephan Mayer-Heinisch bringt es im Gespräch mit immoflash auf den Punkt: „Onlinehandel wird den stationären Handel nicht umbringen. Die guten Standorte können teilweise sogar noch weiter wachsen. Aber der Handel muss sich neu erfinden - und diese Entwicklung ist derzeit eben im Gang.“ Insgesamt wird die Nachfrage nach Retailflächen also nicht geringer werden.
Dies belegt auch eine aktuelle Markterhebung von CBRE, welche heute in Cannes präsentiert worden ist. Demnach werde die Nachfrage nach Einzelhandelsflächen wird in den nächsten fünf Jahren in den wichtigsten Einzelhandelsmärkten nicht geringer werden, allerdings werden sich die Nutzer ändern. Vor allem der Bedarf der Gesundheits- und Schönheitsbranche an Ausstellungs- und Verkaufsflächen ist hier zu nennen.
Bedarf an Flächen weiter groß, neue Nutzungen
Gesundheit statt Bananen
von Gerhard Rodler aus Cannes
Retail wird - allen aktuellen Umbrüchen durch online-Handel und Co zum Trotz - weiter eine Königsklasse der Immobranche bleiben. Das ist nicht das Mantra einer untergehenden Spezies, sondern Tatsache, die bereits mit aktuellen Trends belegbar ist. Eine Untersuchung, die CBRE in den sechs großen Einzelhandelsmärkten China, Amerika, Spanien, Deutschland, Italien und Großbritannien durchgeführt hat, ergab, dass das Wachstum des Flächenbedarfs in der Branche Gesundheit/Schönheit in den nächsten 5 Jahren stärker ansteigen wird, als in den Branchen Lebensmittel, Bekleidung/Schuhe sowie Haus/Garten.
Für China wird der Branche Gesundheit/Schönheit mit einer Steigerung um 8,1 Prozent der größte Anstieg an Verkaufsflächen prognostiziert, gefolgt von Deutschland mit 4,5 Prozent und Italien mit 4,2 Prozent, Großbritannien (1,7 Prozent), USA (1,6 Prozent) und Spanien (1,1 Prozent) bleiben doch deutlich dahinter. Das Wachstum in diesem Sektor wird durch neue Technologien und Innovationen ebenso gefördert, wie durch die Bereitschaft der Kunden, sich etwas zu gönnen und in Gesundheit und Wohlbefinden zu investieren.
Walter Wölfler, Senior Director, Head of Retail Austria & CEE bei CBRE Österreich, erläutert: „Technologie, Innovation und soziale Medien waren für den Erfolg der Gesundheits- und Schönheitsbranche von entscheidender Bedeutung und werden auch in den kommenden Jahren ein wesentlicher Bestandteil der Strategie bleiben. Viele Marken führen virtuelle Make‑Up-Bildschirme ein, durch die der Kunde vor dem Kauf visualisieren kann, was die Produkte bewirken, wie sie an ihm aussehen und ob sie ihm stehen. Dadurch wird ein Erlebnis geschaffen, das die Kunden in den Shop zieht.“ Ein ebenfalls deutliches Wachstum sehen die Experten von CBRE für die Branche Haus/Garten, wobei hier China mit einem zusätzlichen Flächenbedarf von 20,4 Prozent deutlich vor Spanien (2,3 Prozent), Italien (1,2 Prozent) und Deutschland (0,8 Prozent) liegt. Für die Branchen Lebensmittel und Bekleidung/Schuhe wird in vielen Märkten ebenfalls ein stabiles Wachstum erwartet - in Europa ist Spanien in beiden Kategorien führend mit einem Anstieg des Flächenbedarfs um 2,2 Prozent bzw. 1,2 Prozent.