Outlet-Center kämpfen mit Stagnation
Teuerung und Personalmangel dämpfen Erwartungen
von Leon Protz
Seit der Eröffnung der ersten professionell konzipierten Outlet Center in Europa Anfang der 1990er Jahre reihte sich bei dieser neuen Vertriebsform des Einzelhandels eine Erfolgsmeldung an die andere. Prozentual zweistellige Umsatzzuwächse im Bestand, Flächenproduktivitäten deutlich oberhalb der von den Shoppingcentern bekannten Benchmarks, eine anhaltend hohe Mieternachfrage und eine dynamische Entwicklung der Standorte. Etwas ausgebremst wurde diese Entwicklung in einzelnen Ländern lediglich durch den Widerstand von Nachbarstädten und ein restriktives Planungsrecht, das Neuansiedlungen oder Flächenerweiterungen in aufwendige und kostenintensive Genehmigungsverfahren mit unsicherem Ausgang zwang. Trotzdem schien der Siegeszug der Outlet Center unaufhaltsam. Dazu kam noch, dass sich die Outlet Center gegenüber den Auswirkungen des Online-Shoppings als weitgehend immun erwiesen und auch nach den Corona-Lockdowns die Besucher wieder in Massen in die Schnäppchencenter strömten. Doch nun zeigt der europäische Outlet-Markt plötzlich deutliche Bremsspuren: die jüngsten Umsatzmeldungen deuten auf eine bestenfalls stagnierende, wenn nicht sogar rückläufige Entwicklung. Was ist geschehen? "Dies ist vor allem auf die Verteuerung der Energie- und Heizkosten zurückzuführen, welche die Inflation befeuern und nun voll auf die Konsumneigung der Bevölkerung durchschlagen", erläutert Joachim Will. Will ist Geschäftsführer der Wiesbadener Wirtschaftsberatung ecostra, welche sich seit vielen Jahren mit der Entwicklung der Einzelhandelsmärkte in Europa - und hier vor allem auch der Outlet Center - beschäftigt. "Die Verbraucher merken die Preisentwicklung bereits an der Tanksäule und vielen ist es sehr bewusst, dass die nächste Nebenkostenabrechnung der Wohnung unangenehme Überraschungen bieten wird", so Will. Dem können sich offensichtlich auch die Outlet Center nicht vollständig entziehen. Ein weiteres Problem, mit dem nun auch die Outlet Center konfrontiert sind, ist der Mangel an qualifiziertem Personal. Will: "Von verschiedenen Centermanagern wurde uns berichtet, dass sie derzeit kaum noch in der Lage sind, mit den aktuellen Personalkapazitäten die bisher großzügig ausgenutzten Öffnungszeiten aufrecht zu erhalten." Dies ist durchaus überraschend, da die Markenstores der Outlet Center bislang aufgrund guter Rahmenbedingungen und den Schulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten kaum über einen Nachfragemangel an Personal zu klagen hatten. Da diese Center häufig auch auf touristische Zielgruppen ausgerichtet sind und die Angestellten als Markenbotschafter auftreten sollen, wird mehrsprachiges Fachpersonal gesucht und eine qualifizierte Beratung der Kunden angestrebt. Ist nun auch das Erfolgsmodell der Outlet Center auf dem harten Boden der Wirklichkeit angekommen? "Ja und Nein!", betont der ecostra-Geschäftsführer. Nach seinen Erkenntnissen zeigen die jüngsten Entwicklungen erneut, dass die häufig vorgetragene These, dass Outlet Center antizyklisch performen nicht stimmt und auch noch nie gestimmt hat. Wäre diese These korrekt, würde dies bedeuten, dass in wirtschaftlichen Krisenzeiten die Center boomen und in ökonomischen Wachstumsphasen mit Umsatzrückgängen konfrontiert wären. Die tatsächliche Entwicklung zeige jedoch ein anderes Bild: so hätten Outlet Center längst den Nachweis erbracht, auch in Zeiten einer allgemeinen Hochkonjunktur hervorragend zu performen, aber auch eine Rezession geht an dieser Vertriebsform nicht ganz spurlos vorbei. Will: "Die Outlet Center sind auf jeden Fall krisenresistenter. Ein konjunktureller Abschwung kommt bei dieser Vertriebsform später an, verläuft milder und die Erholung im Aufschwung ist schneller als jene des sonstigen Einzelhandels. Aber die aktuelle Situation stellt auch für die Fabrikverkaufszentren eine ganz besondere Herausforderung dar."