Der Markt hat gedreht: Miete sticht Eigentum
WKO-Immobilienpreisspiegels 2023 zeigt den Shift
von Elisabeth K. Fürst
Bei der heutigen Präsentation des Immobilienpreisspiegels 2023 des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der Wirtschaftskammer Österreich fand Fachverbandsobmann Gerald Gollenz deutliche Worte, denn zum ersten Mal seit zehn Jahren gibt es seit Herbst 2022 ein Rückgang bei Immobilientransaktionen: "Wir sind alle lange am Immobilienmarkt tätig und haben schon viel erlebt, aber wir sehen aktuell eine Unsicherheit am Markt. Die Nachfrage nach Eigentum geht zurück, was nicht daran liegt, dass es das Angebot nicht gibt. Die Menschen lassen sich Zeit neuen Wohnraum zu schaffen und umzuziehen. Das eine Problem war dabei die Verteuerung und das zweite die KIM-Verordnung. Man hat zwar nachgeschärft, aber bei weitem nicht so wie es sein soll. Ich hoffe, dass es hier noch ein Einlenken gibt und die FMA ein wenig nachdenkt." Der aktuelle Preisspiegel zeigt einen Rückgang der rasanten Preisanstiege in ganz Österreich. Die dynamischen Preisentwicklungen am Wohnungsmarkt der letzten Jahre gehören damit vorerst der Vergangenheit an. Durch die gesunkene Nachfrage werden die Preise im laufenden Jahr mit wenigen Ausnahmen stagnieren. Es gibt aber vor allem auch einen eindeutigen Shift vom Eigentum zur Miete.
Johannes Wild, Obmann-Stv. des Fachverbandes und Fachgruppenobmann NÖ: "Wir merken weniger Nachfrage nach Eigentum bei den Maklern, dafür eine starke Nachfrage nach Miete. Der Bericht für nächstes Jahr wird sicher eine massive Trendwende zeigen. Wir werden nächstes Jahr sicher von einem Minus reden und die Preise werden stark zurückgehen." Nachgefragt werden vor allem kleinere, energiesparende Wohnungen und größere Wohnungen, die als Alternative zum Eigentum gemietet werden. Wild sieht bei rund einem Drittel der Immobilien auch einen dringenden Renovierungsbedarf. Das werde sich auch negativ auf die Preise auswirken. Michael Pisecky, Obmann-Stv. des Fachverbandes und Fachgruppenobmann in Wien, beziffert den Investitionsbedarf um Bestandswohnungen klimafit zu machen mit rund 250 bis 300 Milliarden Euro.
Beim Wohnungsneubau ist in den kommenden Jahren mit einer Verknappung von Wohnraum zu rechnen. Laut Studie der Exploreal im Auftrag der WKO wurden 2020 bis 2022 rund 138.600 Wohneinheiten errichtet. Auf Grund der wirtschaftlichen Unsicherheiten haben zahlreiche Bauträger ihre nächsten Projekte vorerst eingestellt, was zu einer weiteren Verknappung führt, wie sich am Beispiel Wien deutlich zeige, so Pisecky: "Gab es 2019 über 22.100 bewilligte Wohneinheiten in der Bundeshauptstadt, so waren es 2022 nicht einmal mehr die Hälfte. Im Jahr 2024 rechnen wir nur mehr mit 12.000 Wohneinheiten, 2025 nur noch mit 7500." Baugrundstücke kosten dabei im Durchschnitt 406,92,-Euro/m2. Das entspricht einem Plus von 8,95 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In Wien ist die Zahl mit einem Plus von 10,77 Prozent mit Abstand am höchsten. Neuwertige Mietwohnungen werden im Durchschnitt um 8,71 Euro netto pro m2 vermietet, das war immer noch ein Plus von 4,24 Prozent gebenüber dem Vorjahr. Das Fazit von Gollenz: "Ich glaube, dass man im Durchschnitt in Österreich immer noch leistbar wohnen kann." Die Nachfrage nach Immobilien ist aber nach wie vor vorhanden - sowohl bei privaten als auch bei gewerblichen Investoren. Maklerunternehmen berichten von anhaltend guter Auftragslage, allerdings kommen die Abschlüsse oft nicht zustande: Verkäufer:innen und Käufer:innen warten aktuell ab, wie sich die Preise entwickeln werden. Entscheidungen werden verschoben.
Pisecky erzählt, dass z.B. bei den Büroflächen nicht mit einem Rückganz zu rechnen ist und der Markt stabil ist. Es gab eine Steigerung von plus 4,08 Prozent und die Preise wären vor allem in Wien "moderat". Herausfordernd wären aktuell die Geschäftslokale. Denn während 1A Lagen natürlich gut nachgefragt sind, stagnieren die mittleren Lagen und bei den schwächeren 1B und 1C-Lagen sinken die Preise. Umnutzungen werden immer häufiger ein Thema. Durchschnittlich erzielen Geschäftslokale 11,88,- Euro/m2, das ist ein Plus von 2,08 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zu den deutlichen Gewinnern zählen hier die Städte Innsbruck (+7,10 Prozent), Klagenfurt (+5,83 Prozent) und St. Pölten (+4,07 Prozent).
Die Assetklasse, die natürlich aktuell ein Renner ist, sind Gewerbe- und Betriebsgrundstücke. Aufgrund des Onlinehandels und des generellen europaweiten Logistikausbaus, gehen brauchbare Grundstücke weg wie warme Semmeln. Hier gibt es in allen Bundesländern Zuwächse. Spitzenreiter sind Salzburg (+14,06 Prozent), Graz (+ 13,56 Prozent) und Eisenstadt (+ 12,21 Prozent).
Am Wiener Zinshausmarkt gibt es hingegen eine Minus von 28 Prozent gegenüber dem Jahr 2022. Eugen Otto, Inhaber Otto Immobilien, dazu: "Wir haben eine Stabilitäts- und Reinigungsphase. Das Angebot ist im zweiten Halbjahr gestiegen, die Nachfrage ist deutlich schwächer geworden. Der Markt hat sich von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt entwickelt. 80 Prozent aller Käufe wurden von Unternehmen vollzogen. Es gab weniger Transaktionen. Insgesamt 483 im Jahr 2022. Das gesamtes Transaktionsvolumen belief sich bei Asset und Share Deals auf zwei Milliarden Euro. Die Preisentwicklung ist um zehn bis 15 Prozent gesunken. Dafür sind die Renditen im Jahr 2022 gestiegen. Sie liegen - außer beim ersten Bezirk - um zwei bis drei Prozent. Die Stimmung auf dem Zinshausmarkt ist aber durchaus gut. Wir bemerken, dass auch private Käufer wieder zurückkommen, weil es wieder realistische Preise gibt."